ISIS

Wasser als Waffe

Für die Terrororganisation ISIS hat die Wasserversorgung in den von ihr eroberten Gebieten im Irak und in Syrien strategische Bedeutung. ISIS nutzt das Wasser als Waffe gegen feindliche Truppen, aber auch zur Festigung der Herrschaft.
Ein kurdischer Kämpfer schützt den Mosul-Damm. Photoshot/picture-alliance Ein kurdischer Kämpfer schützt den Mosul-Damm.

Tobias von Lossow von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) beschäftigt sich in einer Studie damit, in welcher Weise ISIS die Wasservorkommen in der wasserarmen Region instrumentalisiert. Er stellt fest, dass die „Einnahme großer Talsperren an Euphrat und Tigris neben der Eroberung von Ölfeldern ein wesentlicher Bestandteil der Expansionsstrategie“ von ISIS ist, da die Dämme eine Steuerung der Wasserressourcen in der Region ermöglichen. 2014 nahm ISIS auf den Gebieten am irakischen Oberlauf von Euphrat und Tigris in teils verlustreichen Gefechten fast alle bedeutenden Staudämme ein. Die Miliz konnte nicht alle Anlagen dauerhaft halten, aber mehrere große Staudämme, etwa die bei Falluja, Samarra und Ramadi, befinden sich noch in ihren Händen.

Dabei versucht ISIS, die Wasserressourcen gezielt militärisch zu nutzen. Laut von Lossow gibt es dafür drei Möglichkeiten: die Wasserversorgung zu kappen, Areale zu überfluten oder das Trinkwasser zu verunreinigen. ISIS hat bereits alle drei Methoden mehrfach eingesetzt, schreibt der SWP-Wissenschaftler. Sowohl in Syrien als auch im Irak habe ISIS Gemeinden, Städte oder ganze Provinzen zeitweise von der Wasser- und Stromversorgung abgeschnitten. Als Beispiel nennt von Lossow die überwiegend von Christen bewohnte Stadt Qaraqosh im Nordirak, die ISIS im Juni 2014 regelrecht isolierte. Auch für Überschwemmungen nennt der Autor Beispiele, etwa nach der Einnahme des Falluja-Damms im April 2014, wonach ISIS durch die Schließung von Schleusen eine Überflutung weiter Gebiete oberhalb der Staumauer verursachte. Damit traf ISIS unter anderem Einrichtungen der irakischen Regierung. Auch eine Verunreinigung von Trinkwasser führte ISIS durch, indem die Milizionäre im Dezember 2014 gezielt Trinkwasser im Balad-Distrikt südlich von Tikrit mit Rohöl kontaminierten, schreibt von Lossow.

Er erklärt weiter, dass Wasser auch von militärtaktischem Nutzen sein könne. So könnten Gebiete überschwemmt werden, um heranrückende Gegentruppen aufzuhalten. Auch könne die Kontrolle über die lebensnotwendige Ressource wirkungsvoll Druck auf den Gegner ausüben. So habe etwa die vorübergehende Eroberung des Mosul-Damms im August 2014 durch ISIS weltweit große Sorge ausgelöst, denn von dem größten Stausee im Irak hängt immerhin fast die Hälfte der Stromversorgung des Landes ab. Eine Sprengung des Damms hätte die Stadt Mosul ausgelöscht und selbst im 400 Kilometer entfernten Bagdad noch große Flutschäden angerichtet.

Laut von Lossow betrachten die UN den zunehmenden Einsatz von Wasser als Kriegswaffe mit großer Besorgnis, haben dem aber wenig entgegenzusetzen. Übliche Maßnahmen wie Ächtung, Appelle oder Sanktionen griffen bei ISIS nicht. Einzig ein militärisches Eingreifen der Anti-ISIS-Koalition habe bisher Wirkung gezeigt. Mehrfach zielten Luftschläge darauf ab, die irakische Armee oder kurdische Einheiten bei der Verteidigung von Dämmen zu unterstützen, wie im Fall von Haditha 2014 und 2015. Auch die Rückeroberung des Mosul-Damms gelang den irakischen und kurdischen Bodentruppen nur dank massiver Luftunterstützung des Westens.

Obwohl die „Waffe Wasser“ sehr wirkungsvoll sei, habe ihr Einsatz dennoch Grenzen, erklärt der Autor. Denn ISIS verstehe sich nicht nur als Miliz, sondern habe die Errichtung eines Kalifats als Ziel, das staatliche Dienstleistungen bereitstellt. Eine Zerstörung der Wasserinfrastruktur komme also für ISIS nicht infrage. Außerdem benötige ISIS das Wasser zur Gewinnung und Verarbeitung von Rohöl, das der Organisation als Einnahmequelle dient. ISIS hat nach Ansicht des SWP-Wissenschaftlers aber das Problem, selbst nicht ausreichend Expertise zu besitzen, um diese komplexen Anlagen fachgerecht zu betreiben. Deshalb beschäftige ISIS teils die bereits tätigen Fachleute weiter.

Der Autor kommt zu dem Schluss, dass ISIS den strategischen Einsatz von Wasser als Waffe auf ein neues Niveau gehoben habe. Davon werde „gezielt, systematisch, konsequent und gleichzeitig flexibel“ Gebrauch gemacht.

Sabine Balk

Link:
Von Lossow, T.: Wasser als Waffe: Der IS an Euphrat und Tigris.
http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A94_lsw.pdf

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