Unsere Sicht

Staatshandeln ist für Gesundheit unerlässlich

Im Gesundheitswesen sind kluge Regulierung und kompetente Behörden nötig, weil Marktkräfte allein keine guten Ergebnisse bringen.
Kenianische Krankenschwester. Robert Bonet/picture-alliance/NurPhoto Kenianische Krankenschwester.

Wichtige Punkte sind:   

  • Gesunde Menschen neigen dazu, kein oder zu wenig Geld für Krankenversicherung auszugeben, sodass bei schweren Erkrankungen die Kosten schnell ihre Kaufkraft übersteigen.
  • Patienten sind dagegen oft bereit, jedweden Preis zu bezahlen, wenn etwas Heilung verspricht. So stürzen dann ganze Familien in die Armut.
  • Im Gesundheitswesen sind „öffentliche Güter“ wie Impfungen häufig, die nicht nur dem Käufer nutzen. Sie schützen Geimpfte vor Infektion, verhindern aber auch, dass Geimpfte andere infizieren.

Weil Covid-19 global weltweit wütet, sind Impfstoffe gegen diese Krankheit globale öffentliche Güter. Es ist für die ganze Menschheit wichtig, möglichst viele Menschen möglichst schnell zu impfen. Wenn sich das Virus mancherorts weiter ausbreitet, entstehen dort voraussichtlich Mutanten, die dann Gegenden neu bedrohen, in denen eigentlich Impfschutz besteht.

Zum Pandemiestart sprachen viele Politiker von globalen öffentlichen Gütern, aber in den vergangenen Monaten haben wir Pharma-Nationalismus erlebt. In den USA und Britannien nahmen Impfkampagnen schnell Fahrt auf, wozu beitrug, dass die Regierungen Vakzin-Ausfuhren unterbanden. Die EU, die ungefähr gleich viele Impfdosen exportierte, wie sie behielt, kam langsamer in die Gänge. Mittlerweile läuft es aber auch hier viel besser als in ärmeren Weltregionen.

Entsprechend ist die Debatte über Patentschutz neu entbrannt. Teils lenkt sie von Problemen ab, denn um die Vakzin-Herstellung zu steigern, ist mehr nötig als nur die rechtliche Erlaubnis. Wichtig sind auch Know-how und Vorprodukte. Zudem begrenzt auch geistiges Eigentum nicht in jedem Fall die Produktion. Die Universität Oxford geht in ihrem Abkommen mit AstraZeneca durch Beharren auf niedrigen Preisen und großzügige Lizenzierung den richtigen Weg.

Ein gutes Vorbild löst aber kein grundsätzliches Problem. Die globalen Regeln für geistiges Eigentum sind nicht stimmig. Zwar hat jedes Land das Recht, zur Sicherung der Gesundheitsversorgung Zwangslizenzen für die Produktion patentierter Medikamente zu erteilen, wenn diese ansonsten unerschwinglich bleiben. In der Praxis haben mächtige Spieler im Welthandel aber dafür gesorgt, dass das nicht konsequent genutzt wird. Folglich bekommen viele Patienten in Entwicklungsländern lebensrettende Medikamente nicht. Das muss sich ändern, wenn der Anspruch der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs – Sustainable Development Goals), niemanden zurückzulassen, erfüllt werden soll.

Für Güter, die frei auf Märkten gehandelt werden, können Patente sinnvoll sein. Sie dienen als befristete Monopole der Profitmaximierung der Innovateure.  Wer ihr Produkt will, muss zahlen, und wer nicht zahlt, kann es nicht nutzen.

Im regulierungsbedürftigen Gesundheitswesen ist das aber inakzeptabel brutal. Anders als für viele Verbrauchsgüter gibt es für lebensrettende Pharmaka oft keinen Ersatz. Impfkampagnen dienen obendrein unmittlebar  dem Gemeinwohl, weshalb meist Staaten die Feder führen. Dass es heute Covid-19-Vakzine gibt, verdanken wir Regierungshandeln - vor allem ihrer Forschungsförderung und ihren Abnahmegarantien. Gewinnmaximierung darf nicht im Vordergrund stehen, denn sonst kommen sowohl viele Patienten als auch die Sicherstellung öffentlicher Güter zu kurz.

Angesichts der globalen Herausforderung, vor der wir stehen, sind die Entscheidungen des G7-Gipfels in Cornwall allzu schwach ausgefallen. Der Internationale Währungsfonds hatte einen Vorschlag gemacht, wie Impfkampagnen weltweit schnell beschleunigt werden könnten, wobei die führenden Industrienationen den Großteil des Geldes hätten beisteuern müssen. Der Vorschlag entsprach Forderungen eines unabhängigen Expertenpanels, das im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation die internationale Pandemiepolitik evaluiert hatte. Es ging nur um vergleichsweise überschaubare Summen, aber die G7 haben die Chance trotzdem nicht ergriffen.


Hans Dembowski ist Chefredakteur von E+Z Entwicklung und Zusammenarbeit / D+C Development and Cooperation.
euz.editor@dandc.eu

Aktualisierung: Der Schlussabsatz wurde am 3o. Juni ergänzt. 

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