Pariser Klimaabkommen

Keine Zeit zum Ausruhen

Im Dezember 2015 sorgte das Klimaabkommen von Paris für Furore. Die Weltgemeinschaft hatte sich geeinigt, den Klimawandel deutlich zu begrenzen. Die erste Euphorie ist mittlerweile abgeklungen. Wo stehen wir heute?
Nur mit mehr erneuerbaren Energien sind die Klimaziele von Paris zu erreichen:  Bau einer Windkraftanlage in Deutschland. Hans Blossey/Lineair Nur mit mehr erneuerbaren Energien sind die Klimaziele von Paris zu erreichen: Bau einer Windkraftanlage in Deutschland.

Die gute Nachricht zuerst: In den vergangenen Jahren ist der globale Ausstoß des wichtigsten Treibhausgases CO2 trotz globalem Wirtschaftswachstum nicht mehr weiter angestiegen. Das ist ganz im Sinn des Paris-Abkommens.

In diesem haben sich 196 Länder darauf geeinigt, den Anstieg der globalen Mitteltemperatur der Luft in Bodennähe zu bremsen. Dabei wurde das ambitionierte Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf deutlich unter zwei Grad Celsius zu begrenzen, international anerkannt. Die armen und am meisten betroffenen Länder sollten bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden. Zudem sollten globale Finanzflüsse so gestaltet werden, dass die Resilienz der betroffenen Menschen gestärkt wird. Das klingt erst einmal gut. Auch die Zahl der Länder, die das Agreement ernst nehmen, kann sich sehen lassen. Bis August 2017 haben 195 Mitgliedstaaten der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) das Abkommen unterzeichnet; 159 Länder haben es ratifiziert.

Vor einigen Wochen kündigte US-Präsident Donald Trump den Ausstieg der USA – immerhin die größte Wirtschaft der Welt und zudem der historisch größte CO2-Emittent – aus dem Klimaabkommen an. Glücklicherweise hat das bis dato nicht zu einem Bruch der Willigen geführt. Im Gegenteil. Als Gegenreaktion entstand eher ein „Jetzt-erst-recht“-Gefühl. Der damals frisch gewählte französische Präsident Emmanuel Macron tadelte die USA offen. Das darf nicht überbewertet werden. Es ist aber als starkes Zeichen zu werten, dass sich beim G20-Gipfel in Hamburg im Juli dieses Jahres 19 Länder unisono zum Paris-Abkommen bekannt haben. Das Abstimmungsergebnis gegen die USA lautete: 19 zu 1.

Trump hat es also nicht geschafft, Zweifel und Unsicherheit auszulösen. Er hat es auch nicht geschafft, der Energiewende einen Schlag zu verpassen. Denn sein Plädoyer für Kohle und die mögliche Abkehr von erneuerbaren Energien hat insgesamt wenig Eindruck hinterlassen. Selbst in den USA regte sich heftiger Widerstand, gerade aus zukunftsweisenden Wirtschaftszweigen.


Symbolische Kraft

Der größte Wert des Paris-Abkommens liegt nach wie vor in seiner symbolischen Kraft – der Einigkeit aller Nationen, sich für Klimaschutz einzusetzen. Immerhin ist es das bis dato umfassendste Klimaabkommen. Es darf aber auch nicht zu früh in den Himmel gelobt werden. Denn es handelt sich um ein großes Rahmenwerk, das weiter mit Leben zu füllen ist. So darf man sich zwar freuen, dass das Zwei-Grad-Ziel nun weitgehend ratifiziert ist. In der Realität steuern wir im Moment aber noch auf eine Drei-Grad-Welt zu, wenn man alle aktuellen, nationalen Reduktionsziele (Nationally Determined Contributions – NDCs) zusammenfasst. Die Länder erreichen mit ihren Plänen die Ziele also noch nicht.

Heute ist das Momentum, das beim Klimagipfel in Paris entstanden war, weitgehend verpufft. Politische Querelen stehen auf der Tagesordnung, etwa der Streit der USA mit Nordkorea, Debatten über Flüchtlinge in Europa oder der Manipulationsskandal bei Dieselfahrzeugen deutscher Hersteller. Da gerät der Klimaschutz leicht ins Hintertreffen. Auch wenn sich 2017 erneut zeigte, dass die Aussagen des Weltklimarats IPCC ernst zu nehmen sind: Wetterextreme nehmen zu.

Diesen Sommer richteten Starkniederschläge sowie Hitzewellen und Dürren in Europa schwere Schäden an. Sturzfluten und Erdrutsche in Deutschland sowie Österreich, Sturzbäche und Hagelschläge in der Türkei sind nur wenige Beispiele. Die Menschen in Südeuropa litten unter gro­ßer Trockenheit mit Waldbränden. Diese Ereignisse haben es kaum in die Schlagzeilen geschafft, die unter anderem von Migration und Trump beherrscht waren.

Apropos Migration: Mittel- bis langfristig wird die Klimaänderung noch deutlich mehr Fluchtbewegungen auslösen. Das kann man heute schon prognostizieren. Was wir jetzt sehen, ist nur der Anfang einer größeren Entwicklung. Klimastress ist noch nicht der Hauptauslöser von Migration, aber ein Beschleuniger. Wenn künftig die geburtenreichen Länder in armen, teils fragilen Staaten zusätzlich unter zunehmenden Klimastress geraten, sind Ströme von Vertriebenen so gut wie sicher (siehe Artikel über die Platform on Disaster Displacement in E+Z/D+C e-Paper 2017/04, S. 26 / Druckheft 2017/5-6, S. 34). So wird ein Meeresspiegelanstieg im Mittelmeer von einem Meter wohl mehr als 6 Millionen Menschen allein in Ägypten in die Flucht zwingen. Schon deshalb muss es ein erstes, internationales Ziel sein, den Klimawandel einzudämmen.


Zeit geht verloren

Um die Vision des Paris-Abkommens – die Entkarbonisierung der Wirtschaft so rasch wie möglich zu schaffen – zu erreichen, sind noch zu wenige konkrete Schritte erfolgt. Das liegt unter anderem an den eher großzügigen Mechanismen, die das Protokoll vorgibt. So können die Länder ihre eignen Beiträge, Pläne und Regulierungen für Emissionsreduzierungen entwerfen (NDCs). Es gibt allerdings keine Mechanismen, welche die Länder zur Einhaltung zwingen. Die Vorgabe lautet lediglich, dass Ziele ambitioniert sein müssen. Das Paris-Abkommen sieht die Überprüfung der versprochenen Maßnahmen erst in der Zukunft vor. Deshalb besteht die Gefahr, dass wertvolle Zeit verlorengeht.

Hier mag man entgegnen, dass die Debatte um Mobilität und Verbrennungsmotoren, die im Sommer 2017 in Europa für Aufregung sorgte, ein starkes Indiz für politisches Handeln ist. Norwegen macht sich für emissionsfreie Neufahrzeuge ab 2025 stark. Großbritannien will ab 2040 den Verkauf von Kraftfahrzeugen mit Verbrennungsmotor verbieten. Das fordert Umweltminister Michael Gove im Rahmen des aktuellen britischen Umweltplans. Bis 2050 sollen alle Diesel- und Benzinfahrzeuge von den britischen Straßen verschwinden. Auch Frankreichs Umweltminister Nicolas Hulot kündigte einen ambitionierten Klimaschutzplan an und unterstrich die Bedeutung des Pariser Klimagipfels in diesem Zusammenhang. Im Rahmen seines Fünf-Jahres-Plans ist vorgesehen, klimaschädliche Fahrzeuge zu verbannen. Zudem will das Land nach 2022 keine Kohle mehr für die Stromproduktion einsetzen. Auch wurden große Investitionen für Entwicklungen im Bereich der Energieeffizienz angekündigt. Dagegen wirkte die Debatte in Deutschland um Schummel-Software und den Ausstoß von Stickoxiden aus Luxuskarossen eher peinlich.


Signale für die Energiewende

Die E-Mobilität repräsentiert nur einen kleinen, wenn auch wichtigen Ausschnitt bei der Mitigation des Klimawandels. Positive Signale sind auch bei der Energiewende auf dem Strommarkt zu sehen. Der auch in Deutschland vieldiskutierte Ausstieg aus der Kohleenergie wäre ein immenser Fortschritt. Die Energiewende kommt in vielen Ländern in Schwung, in einigen schneller, in anderen langsamer. In zahlreichen Großstädten entwickeln sich rapide neue Mobilitätsmuster. Elektro-Autos, Car-Sharing-Modelle, sogar der Schienenverkehr wird teilweise wiederbelebt. Wichtig ist, dass diese positiven Trends anhalten. Denn in der Energie- und Wärmewende liegen große Potenziale – und Chancen! Länder und Industrien, die sich jetzt im Bereich von Smart-Grids, Netzausbau oder der Speichertechnologie erfolgreich positionieren, werden über die nächsten Jahrzehnte die Nase vorne haben. Technische Innovationen in diesen Bereichen sind für eine Industrienation wie Deutschland eine einzigartige Chance. Aus Erfolgen in der Energiewende kann ein neues Momentum entstehen – Impulse sind wichtig. Es ist nun spannend zu sehen, was aus den zahlreichen Versprechen von 2017 wird.


Wichtige Weichen

Auf dem nächsten Klimagipfel in Bonn (COP 23) werden wichtige Weichen gestellt. Die Mitgliedstaaten müssen dann 2018 ihre Klimaziele darlegen. Sind diese ambitioniert, glaubwürdig und langfristig angelegt, kann neuer Mut und Ansporn entstehen. Zentrale Länder dürfen sich jetzt nicht ausruhen und die Dinge einfach laufen lassen. Gerade die Hauptverursacherländer müssen sich zum Handeln bekennen. Wenn die politischen Weichen weiter in Richtung Dekarbonisierung, Subventionsabbau für fossile Energie und für die Förderung erneuerbarer Energien gestellt werden, ist ein wichtiges Teilziel erreicht. Wenn es gelingt, die Emissionen von Kohlendioxid durch ein starkes Preissignal zu verteuern, können klimafreundliche Investitionen geradezu beflügelt werden. Ohne sichere, längerfristig planbare Investitionen ist die Energiewende nicht zu schaffen. Es gibt also viel zu tun bei den kommenden Klimaverhandlungen – aber auch auf nationaler und regionaler Ebene. Der Wille für Klimaschutz darf nicht nur bekundet werden, Strategien und Taten sind notwendig, um wirkliche Erfolge zu erzielen.


Thomas R. Loster ist Geschäftsführer der Münchener Rück Stiftung, die sich mit großen globalen Herausforderungen wie Armutsbekämpfung, Umwelt- und Klimaveränderung und Katastrophenvorsorge beschäftigt.
tloster@munichre-foundation.org

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