Menschenrechte

Jugend in Ostafrika: „LGBT-Leute verstecken sich“

Homophobie ist in Afrika verbreitet, auch in Uganda. Queer Youth Uganda ist eine regierungsunabhängige Organisation, die betroffene Menschen unterstützt. Das englische Kürzel LGBT steht für „lesbisch, schwul („gay“), bi- und transsexuell“ und umreißt die ausgegrenzten Gruppen. Sam Opio, Leiter von Queer Youth Uganda, berichtet über Erfolge und andauernde Probleme.
Die Website von Queer Youth Uganda. Screenshot: https://www.queeryouthuganda.org/imagesandvideos Die Website von Queer Youth Uganda.

Wie hat sich das Leben von LGBT-Menschen in Uganda in den vergangenen Jahrzehnten geändert?
Als ich jung war, gab es keinerlei Informationen. Manchmal berichteten die Zeitungen über Männer, die wegen sexuellen Handlungen mit anderen Männern inhaftiert wurden. Zwischen schwul, lesbisch oder transsexuell wurde nicht unterschieden. All das galt als aus dem Westen importierte, afrikanischen Traditionen widersprechende „Perversion“. Junge Schwule wie ich waren verwirrt und verängstigt. Aber es gab Fortschritte, und das Jahr 2014 wurde zum Wendepunkt für die LGBT-Bewegung in Uganda.

Was geschah?
Das Parlament verabschiedete ein Gesetz, dass die Todesstrafe für Homosexuelle vorsah. Die Regierung und prominente fundamentalistische Christen hatten das Gesetz auf den Weg gebracht. Doch das Verfassungsgericht kippte das „Tötet-die-Schwulen-Gesetz“ noch im selben Jahr. Ein Netzwerk zivilgesellschaftlicher Organisationen – darunter Frauenrechtsgruppen und HIV/Aids-Initiativen – hatte sich gegen die homophobe Agitation gestellt und Bewusstsein für unsere Probleme geschaffen. Auch Wissenschaftler waren dabei. Diese Koalition hatte großen Einfluss auf die öffentliche Meinung. Viele begriffen, dass unsere Community dämonisiert wurde. Wir sind keine Gefahr für andere und haben das Recht, unser Leben zu leben. Was wir einvernehmlich mit anderen Erwachsenen tun, geht niemanden etwas an.

Gab es internationale Unterstützung?
Ja, und sie war in vielerlei Hinsicht wichtig. 2011 sorgte der Mord an David Kato, Ugandas erstem, prominenten LGBT-Aktivisten, für Schlagzeilen. Internationale nichtstaatliche Organisationen – nicht nur, aber auch aus der LGBT-Bewegung – unterstützten uns. Sie versorgten uns mit Informationen, unter anderem über den Forschungsstand zu Gesundheit und Sexualität. Das half, schwulenfeindlicher Hetze entgegenzutreten. Auch finanziell oder juristisch wurden wir unterstützt, mitunter auch personell. Den Geberregierungen wurde klar, wie weit verbreitet Homophobie in Uganda und anderen afrikanischen Staaten war. Sie froren Entwicklungsgelder ein und verlangten, dass Uganda die internationalen Menschenrechte achte. Andererseits bekamen homophobe Pfarrer Unterstützung von Evangelikalen aus den USA. Aber den Leuten in Uganda wurde langsam klar, dass diese mit unwissenschaftlichen Lügen arbeiten.

Die Homophobie wurde also zurückgedrängt?
Ja, zu einem gewissen Grad. Wir sind immer noch Schikanen ausgesetzt und hin und wieder auch Übergriffen. Manchmal verprügeln uns Leute auf der Straße. Ich selbst wurde schon mehrmals angegriffen. Das ist sehr verstörend, weil es einem das Sicherheitsgefühl im Alltag nimmt. Manches hat sich aber auch verbessert. Als ich 2019 attackiert wurde, konnte ich zur Polizei gehen und Anzeige erstatten. Viel passiert ist dann allerdings nicht. Die Polizei hat offiziell eine Einheit für LGBT-Themen, aber sie tun nichts zugunsten betroffener Menschen. Auf den Wachen geht es weiter wie immer: Erpressung, Bloßstellung und verzerrte Darstellungen des Geschehenen sind normal. Und Ugandas Parlament beschließt weiterhin Gesetze, die uns einschränken oder kriminalisieren. Das Computer-Missbrauchs-Gesetz zum Beispiel macht es strafbar, sich online über das Engagement für LGBT-Interessen auszutauschen. Das kann bis zu fünf Jahre Gefängnis bedeuten. Wenn wir einen Workshop mit mehr als 15 Personen veranstalten wollen, brauchen wir laut dem Gesetz über die öffentliche Ordnung eine polizeiliche Genehmigung. Wir müssen dann als Thema Menschenrechte oder HIV/Aids nennen, denn Diskussionen über LGBT-Rechte werden nicht erlaubt.

Warum arbeitet Queer Youth Uganda hauptsächlich im abgelegenen, ländlichen Raum?
In der Hauptstadt Kampala gibt es schon viele LGBT-Angebote, deshalb konzen­trieren wir uns auf das Land. Es war früher schwierig, dort Leute zu erreichen, aber das ändert sich dank der sozialen Medien. Trotzdem gibt es immer noch Vorurteile, und LGBT-Leute neigen dazu, sich zu verstecken.

Sie selbst sind in einem Dorf aufgewachsen. Wie gelang Ihnen, die eigene Identität zu finden?
Keiner verstand, wer ich war. Wir konnten nicht darüber reden. Ich fühlte mich anders, weil ich mich vom gleichen Geschlecht angezogen fühlte. Aber ich hatte keine Ahnung, wie ich das benennen sollte. Als klar war, dass ich mich zu Männer hingezogen fühle, hat mich meine gesamte Familie verstoßen.

Wie veränderte der Umzug nach Kampala Ihr Leben?
Nun, paradoxerweise haben mir die Anti-Schwulen-Kampagnen einiger ugandischer Zeitungen geholfen, denn ich erfuhr von Treffpunkten – etwa der Mama Mia Bar im Speke Hotel. Ich ging hin und fühlte mich sofort am richtigen Platz. Es war der Treffpunkt von Homosexuellen in der Hauptstadt.

Wie wurden Sie zum hauptberuflichen Aktivisten?
Nach dem Studium arbeitete ich beim Schuhhersteller Bata, wurde aber wegen meiner Homosexualität entlassen. Mein Bild war in Zeitungen abgedruckt worden. Dank niederländischer Spender bot sich mir die Gelegenheit, Vollzeitaktivist zu werden und Queer Youth Uganda aufzubauen. Endlich wurde ich nicht mehr permanent gefragt, ob ich verheiratet bin oder Kinder habe. Ich fühlte mich befreit. Es tut gut, junge LGBT-Menschen auf dem Land zu unterstützen und sie mit den Informationen zu versorgen, die mir geholfen hätten, als ich ein junger, schwuler Dorf-Teenager war.


Sam Opio ist Gründer und Geschäftsführer von Queer Youth Uganda.
queerug@gmail.com
https://www.queeryouthuganda.org

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